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Digitalisierte Arbeitswelt

Digitalisierte Arbeitswelt – Wie Zusammenarbeit im Mittelstand bis 2035 gelingt – Wie arbeiten kleine und mittlere Unternehmen in der digitalisierten Arbeitswelt von morgen? Ein verständlicher Blick auf Zusammenarbeit, Technik und menschliche Verantwortung im Mittelstand bis 2035.

Es ist 07:12 Uhr an einem Dienstag im Frühjahr 2035. In einem mittelständischen Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet geht das Licht an, noch bevor der erste Mensch die Tür öffnet. Die Systeme sind längst wach. Die Produktionsplanung ist aktualisiert, die Lieferkette wurde auf Engpässe geprüft, Kundenanfragen sind vorsortiert. Kein Alarm, kein rotes Blinken. Nur ein ruhiger Hinweis auf dem Bildschirm, fast wie eine Hand auf der Schulter: Diese Entscheidung erfordert menschliches Urteil. Genau darin liegt der Unterschied zu früher. Nicht, weil Maschinen plötzlich alles können, sondern weil gute Betriebe gelernt haben, sehr genau festzulegen, was Maschinen vorbereiten dürfen und wo Menschen entscheiden müssen.

Thomas Berger ist 52 und führt den Betrieb in zweiter Generation. Rund 60 Mitarbeitende, Fertigung und Service, bodenständig, kein Konzern. Früher begann sein Tag immer gleich: E-Mails lesen, offene Angebote prüfen, Ärger mit Lieferterminen, Ausfälle im Team. Heute öffnet er zuerst den Bereich, der „Abweichungen“ heißt. Das klingt unscheinbar, ist aber ein echter Kulturwechsel. Denn die Arbeit im Betrieb ist so organisiert, dass alles, was klar und wiederholbar ist, automatisch läuft. Übrig bleiben nur die Fälle, bei denen Erfahrung, Abwägung und Verantwortung gefragt sind.

Thomas liest eine Meldung: Ersatzmaterial verfügbar, etwas teurer, dafür schneller lieferbar, Qualität vergleichbar, Entscheidung offen. Er klickt nicht sofort auf Zustimmung. Er denkt nach. Welche Aufträge hängen daran? Wie sensibel ist der Kunde? Wie hoch ist das Risiko, wenn das Material sich anders verhält? Genau hier zeigt sich, wie die Zusammenarbeit zwischen Technik und Mensch funktioniert. Die Maschine bereitet vor, sortiert, rechnet. Der Mensch entscheidet. Thomas hat dafür einen einfachen Satz geprägt, den jeder im Betrieb kennt: Die Technik nimmt uns den Lärm, aber nicht die Verantwortung. Viele Betriebe nutzen solche Systeme inzwischen selbstverständlich. Was aber nicht selbstverständlich geworden ist, ist das saubere Gestalten von Verantwortung. Und genau daran scheitern viele.

Thomas hat früh verstanden, dass die Zukunft nicht nur aus Software besteht. Sie besteht aus klaren Regeln, verlässlichen Daten, eindeutigen Rollen und Vertrauen. Und aus Vorgaben, die längst im Alltag angekommen sind. Für ihn ist klar: Technik ist kein IT-Thema mehr. Sie ist Führungsthema. Entscheidungen müssen nachvollziehbar sein, Wissen muss vorhanden sein, Zuständigkeiten klar.

Am selben Vormittag erhält Thomas eine weitere Nachricht. Ein neuer Auftrag ist eingegangen. Keine Anfrage, kein Telefonat, keine Verhandlung. Die technische Freigabe liegt bereits vor. Der Auftrag wurde von einem System auf Kundenseite vergeben. Die Maschine hat Angebote verglichen, Lieferzeiten geprüft, Zuverlässigkeit bewertet. Und dieser Betrieb war die beste Wahl. Für die Zusammenarbeit im Unternehmen hat das Folgen. Vertrieb, Service, Werkstatt und Planung müssen enger zusammenspielen als früher, weil die Kundenbeziehung nicht mehr nur über persönliche Gespräche läuft, sondern über verlässliche Daten. Es geht weniger darum, wer am besten argumentiert, sondern darum, wer am klarsten zeigt, was er wirklich leisten kann.

Im Alltag heißt das: Die Mitarbeitenden arbeiten nicht nur an Produkten, sondern auch an Klarheit. Leistungsbeschreibungen werden gepflegt, Lieferzeiten realistisch gehalten, Qualität sauber dokumentiert. Das wirkt trocken, ist aber entscheidend. Thomas hat dafür eine neue Rolle geschaffen, die es früher kaum gab. Jemand, der Angebote so aufbaut, dass sie für Menschen verständlich bleiben und für Systeme eindeutig sind. Keine Verkaufsshow, sondern ehrliche Struktur.

Aylin Demir ist 38 und leitet ein Team aus Projektkoordination und Kundenservice. Sie arbeitet hybrid, mal im Betrieb, mal von zu Hause. Im Jahr 2035 ist das nichts Besonderes mehr, sondern Alltag. Aber nur, weil es bewusst gestaltet wird. Früher war das Arbeiten auf Distanz oft ein Machtkampf. Heute ist es ein klares System. Es gibt feste Zeiten ohne Besprechungen, saubere Übergaben, klare Regeln, wann man erreichbar ist. Und es gibt einen festen Kern, an dem nicht gerüttelt wird: gemeinsames Ankommen neuer Mitarbeitender, offene Gespräche, ehrliche Klärung von Konflikten.

Aylin schaut morgens nicht zuerst auf Aufgaben, sondern auf ihr Team. Sie sieht Hinweise: Zwei Mitarbeitende sind stark belastet, in einem Projekt deutet sich Spannung an. Die Technik schlägt ein kurzes Gespräch vor. Kein Drama, keine Eskalation. Einfach reden. Aylin weiß: Je klüger die Systeme werden, desto wichtiger werden menschliche Fähigkeiten. Kreativität, Fingerspitzengefühl, handwerkliches Können, der Umgang miteinander. Vertrauen entsteht nicht durch Programme. Vertrauen entsteht im Gespräch. Deshalb hat Aylin eine einfache Regel eingeführt: Konflikte werden nicht im Chat gelöst. Wenn es knirscht, setzt man sich kurz zusammen. Fünfzehn Minuten, klarer Rahmen, ehrlich. Das ist einer der Gründe, warum das Zusammenspiel aus Nähe und Distanz bei ihnen funktioniert.

Nach dem Mittagessen setzt Aylin eine Brille auf, die ihr hilft, gemeinsam mit einem Kunden ein Projekt zu betrachten. Nicht, weil sie Technikspielzeug mag, sondern weil es praktisch ist. Man sieht dasselbe, spricht darüber, versteht sich schneller. Dabei hat Aylin gelernt, dass Missverständnisse gerade dann entstehen, wenn alles sehr real wirkt. Deshalb übt sie mit ihrem Team regelmäßig den Umgang damit. Fachliches Wissen lässt sich schnell aufholen. Zusammenarbeit, Selbststeuerung und der Umgang mit Spannungen müssen erlebt und geübt werden. Lernen ist kein einzelnes Seminar mehr. Lernen passiert mitten in der Arbeit.

Jonas Klein ist 27. Sein Lebenslauf ist nicht geradlinig. Er hat viel ausprobiert, gelernt, verworfen, neu angefangen. Früher hätte man gezögert. Heute sieht man darin Potenzial. Am ersten Tag im Betrieb bekommt Jonas keine lange Einführung. Stattdessen ein Gespräch. Es geht nicht darum, was er kann. Das wissen die Systeme bereits. Es geht darum, wie er arbeitet, wenn es stressig wird, wie er Rückmeldung haben möchte und was er braucht, um sich sicher zu fühlen. Das ist keine Therapie. Das ist moderne Zusammenarbeit. Man hat verstanden, dass gute Arbeit nicht aus Dauerstress entsteht, sondern aus klaren Regeln und gegenseitigem Vertrauen.

Jonas erlebt, dass er nicht ersetzt wurde, sondern neu eingesetzt ist. Die Technik übernimmt Vorarbeit, sammelt Informationen, schlägt Wege vor. Sein Wert entsteht dort, wo Dinge angewendet, abgestimmt und verantwortet werden. Jonas hat eine Fähigkeit, die besonders wertvoll geworden ist. Er kann mit den Systemen arbeiten, ohne ihnen blind zu vertrauen. Er prüft, fragt nach, erkennt Grenzen. Das ist keine Zusatzqualifikation mehr, sondern Grundvoraussetzung.

Im Laufe des Tages wird Thomas noch einmal an etwas erinnert, das lange unterschätzt wurde. Das Netz ist stark belastet. Die Empfehlung lautet, den Verbrauch zu glätten oder auf eigene Reserven zurückzugreifen. Energie ist kein Randthema mehr. Sie ist Teil der Arbeitsfähigkeit. Gute Betriebe haben gelernt, Lasten zu verteilen, Reserven einzuplanen und Abläufe so zu gestalten, dass sie nicht bei jeder Störung zusammenbrechen. Ähnlich verhält es sich mit Sicherheit. Je mehr digital zusammengearbeitet wird, desto wichtiger ist Schutz. Nicht mit dicker Bürokratie, sondern mit klaren Zuständigkeiten, einfachen Notfallplänen und regelmäßigem Üben.

Auch die Menschen verändern sich. Sie arbeiten länger, aber nicht gleich. Teams bestehen aus unterschiedlichen Altersgruppen, Lebenssituationen und Rhythmen. Manche arbeiten früh konzentriert, andere später kreativ, wieder andere in kurzen Etappen. Wenn Technik hilft, Arbeit gut zu verteilen, wird Vielfalt zur Stärke statt zur Störung. Aylin nennt das Fairness im Rhythmus. Niemand muss sich verbiegen, wenn das System mitdenkt.

Manche Entwicklungen wirken auf den ersten Blick weit weg. Neue Materialien, andere Formen der Landwirtschaft, neue Wege, Rohstoffe zu gewinnen. Doch sie verändern Lieferketten, Partner, Abhängigkeiten. Zusammenarbeit findet nicht mehr nur im eigenen Betrieb statt, sondern in größeren Zusammenhängen. Das erfordert Überblick und die Fähigkeit, Entscheidungen gemeinsam zu tragen.

Am Ende des Tages sitzt Thomas noch einmal kurz im Büro. Der Tag war nicht einfacher als früher, aber er war übersichtlicher. Weniger Lärm, weniger hektisches Reagieren, mehr bewusstes Gestalten. Aylin verabschiedet sich von Jonas, der gerade eine Rückmeldung bekommt. Kein Bewertungsgespräch, sondern ehrliches Lernen. Draußen fährt ein Fahrzeug vom Hof. Die Systeme laufen weiter im Hintergrund. Nicht, um Menschen zu ersetzen, sondern um sie zu unterstützen.

Vielleicht ist das die eigentliche Zukunft der Zusammenarbeit bis 2035. Nicht, dass Technik alles übernimmt. Sondern dass Arbeit so gestaltet wird, dass Menschen wissen, wann sie gebraucht werden, wofür sie Verantwortung tragen und dass sie sich aufeinander verlassen können.

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